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Aktuelles | 13.01.2003

BSG-Entscheidung: Stationär oder ambulant ? Erfahrung ist Erfahrung

Pflegekassen dürfen einen Antrag auf Zulassung eines ambulanten Pflegedienstes nicht länger ablehnen, weil die Pflegedienstleitung ihre Berufserfahrung nicht ausdrücklich im ambulanten Bereich erworben hat. Ausschlaggebend ist die berufliche Qualifikation und nicht die Frage, ob die Erfahrung ambulant oder stationär erworben wurde. So entschieden die Richter des dritten Senates des Bundessozialgerichts (BSG) mit Ihrem erst jetzt vorliegenden Urteil vom 24. September 2002, Az.: B 3 P14/01 R.

Für die Zulassung eines ambulanten Pflegedienstes musste die Leitung bisher zusätzlich eine einjährige Berufspraxis im ambulanten Bereich vorweisen. Diese Beschränkung wurde nun gelockert.

Der konkrete Fall: Ein staatlich anerkannter Altenpfleger und Diplom-Krankenpfleger mit mehrjähriger Berufserfahrung im stationären Bereich zog gegen die Pflegekassenverbände vor Gericht. Sein Begehren, einen ambulanten Pflegedienst zu eröffnen, wurde ihm verwährt. Die Pflegekassen versagten ihm die benötigte Zulassung für den Bereich der Pflegeversicherung nach § 72 SGB XI .Begründet wurde die Verweigerung der Pflegekassenverbände damit, dass der erfahrene Altenpfleger den Anforderungen der §§ 71, 72 SGB XI i.V.m. den ?Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen? nach § 80 SGB XI in der ambulanten Pflege nicht entsprechen würde. Laut dieser Grundsätze ist eine praktische zweijährige Berufserfahrung in einem Pflegeberuf erforderlich. Davon ist ein Jahr hauptberuflich im ambulanten Bereich zu erlangen. Dieses ambulante Jahr fehle dem Kläger.

Das Landessozialgericht Bayern gab dem Altenpfleger Recht und verurteilte die beklagten Pflegekassenverbände zum Abschluss des beantragten Versorgungsvertrages. Hiergegen legten die Kassen Revision ein. Zwar wurde nun durch das BSG das Urteil des LSG aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Dies geschah jedoch nur aufgrund noch offener Fragen über die Zulässigkeit der Klagebefugnis des Klägers. In der Sache selbst entschied das BSG für den Kläger. Die Richter betrachteten die im Gesetz genannten Voraussetzungen an die verantwortliche Pflegefachkraft durch die umfangreiche Berufserfahrung des Klägers als erfüllt. Dem Zulassungsantrag sei damit statt zu geben.

Begründet wird die Entscheidung damit, dass bereits in § 71 Abs. 3 SGB XI abschließend die Anforderungen an die berufliche Qualifikation der verantwortlichen Pflegefachkraft genannt sind. Vor allem wird hier nicht danach differenziert, ob die Berufserfahrung ambulant oder stationär gemacht wurde. Alle weiteren besonderen Anforderungen der Kassen an die verantwortliche Pflegefachkraft gehen über den gesetzlichen Rahmen hinaus. Darin sehen die Richter eine Erschwerung der persönlichen Berufszugangs-Voraussetzung für ausgebildete Kranken- und Altenpfleger. Eine solche subjektive Berufszugangsbeschränkung ist jedoch nur mit einer gesetzlichen Ermächtigung gültig. Denn nach Artikel 12 des Grundgesetzes (GG) kann die Berufsausübung nur durch Gesetz geregelt werden. Eine solche gesetzliche Grundlage fehlt in diesem Fall. § 80 SGB XI enthält, so die Richter, ebenso wenig wie § 71 SGB XI oder 72 SGB XI, eine normative Ermächtigung der Spitzenverbände, die gesetzlichen Regelungen über die Voraussetzungen der Leitung einer ambulanten Pflegeeinrichtung näher auszuführen oder zu verschärfen. Demnach ist ein Pflegedienst dann zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des § 71 Abs. 3 SGB XI erfüllt sind; erschwerende Regelungen dürfen die Kassen nicht anführen.