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Aktuelles | 15.03.2010

Offener Brief an den Bundesgesundheitsminister

<b>LfK verlangt den sofortigen Stopp der Transparenz-Prüfungen ambulanter Dienste </b> In einem Offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler verlangt der LfK, alle Transparenz-Prüfungen ambulanter Pflegedienste nach dem derzeit gültigen Prüfsystem sofort einzustellen. Der Verband stellt nach einer Analyse der ersten veröffentlichten Transparenz-Berichte des MDK zahlreiche Mängel in der Bewertungssystematik fest, die zu einer unbegründet schlechten Benotung von ambulanter Pflegequalität führen.

 

"Es kann nicht sein, dass im Prüfbericht ein guter bis sehr guter Pflegezustand der Patienten attestiert wird und zugleich die "Pflegerischen Leistungen" im Transparenz-Bericht mit der Note 4 oder schlechter benotet werden", so Christoph Treiß, LfK-Geschäftsführer. "Diese Entwicklungen sind absurd!", erklärt der Verband in seinem Appell an die Politik und fordert den Bundesgesundheitsminister auf, die Geburtsfehler des Pflegeprüfsystems zu korrigieren.

Das Prüfsystem zur Bewertung der Qualität ambulanter Pflege wurde von den Vertragspartnern auf Bundesebene gemäß § 115 SGB XI erarbeitet und wird seit dem Herbst 2009 als Grundlage zur Überprüfung der Pflegequalität in den Prüfungen des MDK angewandt.

Der Offene Brief des LfK an den Bundesgesundheitsminister im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Minister,

als Zusammenschluss von 600 privaten ambulanten Pflegediensten in Nordrhein-Westfalen berichten wir Ihnen über unsere Erfahrungen mit der Benotung von Pflegediensten in unserem Bundesland und fordern Sie auf, Fehlentwicklungen zu stoppen.

Bislang haben wir rund sechzig Transparenzberichte ausgewertet. Demnach ergibt sich folgender Notentrend:

Qualitätsbereich 1 "Pflegerische Leistungen": Note 3,3

Qualitätsbereich 2 "Ärztlich verordnete pflegerische Leistungen": Note 2,0

Qualitätsbereich 3 "Dienstleistung und Organisation": Note 2,1

Durchschnittliche Gesamtnote Q1-Q3: Note 2,5

Befragung des Kunden: Note 1,0

Wir stellen fest, dass die "Pflegerischen Leistungen" im Trend mit schwach befriedigend benotet werden, obwohl unsere Kunden die Zufriedenheit mit ihrem Pflegedienst mit sehr gut bewerten.

Wir stellen ferner fest, dass es oft in der Zusammenfassung des jeweiligen Prüfberichtes heißt: "Alle besuchten Patienten waren in einem sehr guten Pflegezustand" und "Alle Mitarbeiter gingen sehr einfühlsam mit den Patienten um". Gleichwohl wird die "Pflegerische Leistung" bei denselben Pflegediensten mit 3,3 im Durchschnitt oder deutlich schlechter benotet!

Das vom Kunden wahrgenommene Pflegeergebnis sowie sein durch pflegefachliche Einschätzung festgestellter tatsächlicher Pflegezustand werden durch die Noten nicht zutreffend abgebildet. Das hat nach unserer Analyse zwei Ursachen. Einerseits wird nicht der feststellbare Pflegezustand des Kunden sondern die Patientenpflegedokumentation benotet und andererseits sind die den Noten zugrundeliegenden Bewertungskriterien überwiegend durch die Dokumentationserfordernisse in der stationären Pflege geprägt.

 

Letzteres wollen wir an zwei Beispielen exemplarisch verdeutlichen: So wird beispielsweise zur Bewertung der "Pflegerischen Leistungen" geprüft, inwieweit vom Pflegedienst individuelle Wünsche des Kunden zur Körperpflege berücksichtigt werden. Dies bezieht sich nicht nur auf die Frage, ob der Kunde mit Seife/Waschlotion gewaschen und mit Körperlotion eingecremt werden möchte. Vielmehr soll in der Pflegedokumentation schriftlich aufgenommen werden, welche spezifischen Präparate/Marken vom Pflegebedürftigen benutzt werden. Ansonsten erfolgt eine negative Bewertung. Das ist natürlich nicht zielführend, weil "bei mir zu Hause" "meine" Seife und "meine" Körperlotion liegen!

Gleiches gilt für die Berücksichtigung der individuellen Wünsche zum Essen und Trinken. Jede Mahlzeit wird im Rahmen der häuslichen Pflege individuell für den jeweiligen Kunden in dessen Küche und aus dessen Kühlschrank zubereitet und nicht - wie oft im stationären Bereich - in einer Großküche. Natürlich ist "mein" Kühlschrank mit Speisen und Getränken gefüllt, die auch "meinem" Geschmack entsprechen. Nach den Prüfkriterien ist das nicht selbstverständlich: Für eine gute Note muss minutiös schriftlich dokumentiert werden, dass der Kunde nur das gereicht bekommt, was er auch mag.

Die Summe aller nicht zielführenden Bewertungskriterien führt zu schlechteren Noten, als es dem tatsächlichen Pflegezustand der Kunden entspricht. Diese verzerrte Darstellung führt nicht zu mehr Transparenz, sondern sie führt den Verbraucher in die Irre.

Die so benoteten Pflegedienste werden reagieren. Sie werden zu Lasten der verfügbaren Nettopflegezeit mehr Bürokratie bzw. Dokumentationsaufwand betreiben, um bei der nächsten Prüfung eine bessere Note zu erhalten.

Diese Entwicklungen sind absurd!

Daher fordern wir Sie, sehr geehrter Herr Minister, auf,

- die Benotung der Pflegequalität ambulanter Pflegedienste nach dem derzeitigen System auszusetzen,

- die Entwicklung einer wissenschaftlich fundierten Methode zur Messung der Pflegequalität ambulanter Pflegedienste mit Nachdruck zu betreiben,

- und diese Methode erst nach der Durchführung einer Erprobungsphase zum Maßstab für die Messung der Pflegequalität ambulanter Pflegedienste zu machen.

Mit freundlichem Gruß

Wolfgang Cohrs, LfK-Vorstand

Christoph Treiß, LfK-Geschäftsführer